Reisen als chronisch Kranker

Auch wer dialysepflichtig ist oder täglich dreimal Insulin spritzen muss, sehnt sich nach Urlaub und Tapetenwechsel; bei jeder Erkrankung gibt es jedoch verschiedene Dinge zu beachten.

Mittlerweile haben sich eine ganze Reihe von Reiseveranstaltern auf die besonderen Bedürfnisse von chronisch Kranken eingestellt. Voraussetzung für eine angemessene Betreuung ist allerdings, vor Reiseantritt um die individuellen Bedürfnisse und „Besonderheiten“ des Reisenden zu wissen und sie bei der Planung mit einzubeziehen. Sehr wichtig ist deshalb das Gespräch mit Reiseveranstaltern und Betreuungspersonal an Bord von Flugzeugen und Schiffen und in den Hotels. Entscheidend ist, die Reise sorgfältig zu planen, mit Ruhe anzugehen und ausreichend Zeit für alle Transfers einzuplanen.

Reisen mit Allergien

Patienten mit Pollenallergie reisen am besten antizyklisch, legen also ihren Urlaub in die Zeit der größten Pollenbelastung zu Hause. Geeignete Urlaubsziele sind alle allergenarmen Gebiete an Küsten oder im Gebirge – über 1.500 m existieren praktisch keine Hausstaubmilben und die Pollenbelastung ist auf ein Sechstel reduziert. Achtung: Bei anderen Reisezielen ist aufgrund klimatischer Unterschiede der Zeitraum der Pollenbelastung häufig verschoben. Vielfach empfohlen werden die Länder bzw. Orte rund ums Mittelmeer mit ihrem milden, warmen Klima und der pollenarmen Seeluft.

Patienten mit Hausstaubmilbenallergie nehmen Matratzenüberzüge mit, Tierhaarallergiker erkundigen sich beim Vermieter oder Hotel genau nach der Zimmerausstattung. Eine Sonnenallergie kann durch Sonnenverzicht, zumindest zwischen 11 und 15 Uhr, verhindert oder gemildert werden.

Reisen mit Asthma

Asthmatiker, die auftretende Asthmaanfälle mit Sprays selbst behandeln, können ohne Probleme auf Reisen gehen, wenn sie den Urlaubsort günstig auswählen, sich in einer stabilen Phase der Erkrankung befinden und ausreichend Medikamente mitnehmen.

Flugreisen sind tendenziell zu meiden, da

  • sowohl der Sauerstoffpartialdruck erniedrigt als auch die Sauerstoffversorgung erschwert ist.
  • Anfälle auf Flügen häufig durch Klimaanlagen, Zugluft und die dort herrschende trockene Luft ausgelöst werden.

Viele Asthmakranke gehen davon aus, dass die salzhaltige Luft an Nord- und Ostsee besonders günstig sei; sie ist jedoch auch besonders rau und manche Patienten reagieren darauf mit Erkältungen. Dagegen haben Mittelmeerländer ein sanftes, reizarmes Klima. Vorsicht ist bei chloriertem Wasser in Frei- oder Hallenbädern geboten, sowie in ozonbelasteten Großstädten mit verkehrsreichen Straßen. Hier sollten Wege besser nur in klimatisierten Fahrzeugen zurückgelegt werden. In vielen Hotels gibt es mittlerweile Allergiker- oder zumindest Nichtraucherzimmer.

Reisen mit Bluthochdruck (Hypertonie)

Für Patienten, die an hohem Blutdruck leiden und medikamentös gut eingestellt sind, gibt es eigentlich keine Einschränkungen auf Reisen. Selbstverständlich sollten das Blutdruckmessgerät und ausreichend Medikamente im Reisegepäck mitgeführt werden. Beim Steigen in größere Höhen und Reisen in heiße Klimazonen sinkt der Blutdruck im Allgemeinen etwas, sodass eine häufigere Kontrolle und gegebenenfalls eine Medikamentenanpassung zu erwägen ist (vorher mit dem Arzt besprechen).

Reisen mit Depressionen und anderen schweren psychischen Erkrankungen

Eine Reise sollte nur in einem stabilen Zustand angetreten werden, niemals aber zum Zwecke der Stimmungsaufhellung, da eine ungewohnte Umgebung und die am Zielort fehlenden Familienangehörigen eine Depression verstärken oder sogar neu auslösen können (Reisedepression). Hilfreich sind sicher der Kontakt zu einer vertrauten Person sowie ein Notfallplan für eine vorzeitige Rückreise. Vor der Reise sollten die Reisepläne auch mit dem Therapeuten besprochen werden; im besten Fall besteht die Möglichkeit, diesen auch während des Urlaubs erreichen zu können.

Zu beachten ist ferner, dass Medikamente zur Malariaprophylaxe, z. B. Mefloquin, schwere psychische Nebenwirkungen haben. Auch Medikamente gegen Reiseübelkeit und selbst Antibiotika können ungewohnt müde machen oder die Stimmung verändern. Andererseits kann es aufgrund eines erhöhten Flüssigkeitsverlusts (beispielsweise bei Durchfällen oder Erbrechen) bei der Einnahme von Antidepressiva zu Problemen durch Wirkungsminderung kommen.

Reisen mit Diabetes

Blutzucker wird in den alten Bundesländern und in vielen europäischen Ländern in mg/dl (Milligramm Glucose pro Deziliter Blut) angegeben, während international, z. B. in Frankreich oder den USA, die Maßeinheit mmol/l (Glucosekonzentration in Millimol pro Liter Blut) verwendet wird. Eine Umrechnung der beiden Einheiten ist möglich über die Formel mg/dl x 0,0555 = mmol/l (Beispiel: 150 mg/dl = 8,3 mmol/l) beziehungsweise mmol/l x 18,02 = mg/dl (Beispiel: 7 mmol/l = 126 mg/dl).

Auf Reisen ist die Verpflegung während einer Flugreise meist noch das kleinste Problem: Eine Diätmahlzeit kann im Voraus (in der Regel 24 Stunden vor Abflug) bei vielen Fluggesellschaften gebucht werden. Bei Billigflügen ist allerdings die Mitnahme eigenen Proviants ratsam.

Bei Reisezielen mit über zwei Stunden Zeitverschiebung müssen insulinpflichtige Patienten auf eine zeitlich angepasste Medikamenteneinnahme achten (die Einnahme oraler Antidiabetika bleibt davon unberührt). Nachdem sich sowohl bei langen Flügen nach Westen als auch bei Flügen nach Osten für den Patienten der Tag verlängert, muss die entstehende Insulinlücke überbrückt werden. Das Mittel der Wahl ist Normalinsulin, über das Patienten mit intensivierter konventioneller Therapie ohnehin verfügen und das der Arzt ansonsten problemlos verschreibt. Die Berechnung des Bedarfs an Altinsulin erfolgt durch eine alle drei bis vier Stunden durchgeführte Blutzuckermessung nach folgender Formel:

(Blutzucker – 120) : 40 = I.E. Normalinsulin

Zum Beispiel: gemessener BZ-Wert im Flugzeug = 240 mg/dl, notwendig sind also (240 – 120) : 40 = 3 I.E. Normalinsulin.

Die gesamte Ausrüstung gegen Diabetes sollte im Handgepäck transportiert werden, um jedes Risiko zu vermeiden, dass am Urlaubsort wichtige Utensilien fehlen: Pen, Einwegspritzen U100 (orangefarbene Schutzkappe) mit Nadeln, Insulin (die doppelte Menge der gesamten benötigten Dosis, gekühlt in einer Thermoskanne), Blutzuckermessgerät mit Ersatzbatterien, Teststreifen, eventuell auch visuell ablesbare (defektes Gerät) und Keto-Diabur® Urinteststreifen, Traubenzucker in größeren Mengen, GlucaGen®-Hypokit, Diabetikerpass, BZ-Tagebuch, ärztliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Passkontrolle.

Der Insulinbedarf kann unter ungewohnten Bedingungen deutlich vom gewohnten Bedarf abweichen: Starke Sonneneinstrahlung führt zu einer erhöhten Insulinwirkung, auch körperliche Aktivität senkt den Insulinbedarf, sodass es ratsam ist, zumindest die ersten zwei bis drei Tage mehrmals zu messen, bis sich alles eingespielt hat.

Sowohl das Insulin als auch die Blutzuckermessgeräte und die -teststreifen dürfen nicht lange der prallen Sonne ausgesetzt werden: Insulin ist bis max. 40 °C stabil, die Teststreifen funktionieren nur zuverlässig zwischen 15 °C und 35 °C. Um das Insulin sicher zu transportieren, eignet sich am besten eine mit kaltem Wasser ausgespülte Thermoskanne.

Auf kleine Verletzungen ist zu achten, wobei Diabetiker mit Empfindungsstörungen und Beschwerden an der Fußhaut nicht barfuß laufen sollten. Bei Durchfall und Erbrechen sollte ein Arzt kontaktiert werden.

Reisen als Dialysepatient

Dialysepatienten können trotz Nierenersatztherapie in viele Länder reisen – lediglich von Reisen in Länder mit unzureichenden hygienischen Verhältnissen oder weit verbreiteten, ansteckenden Krankheiten ist abzuraten. Patienten, die gerade erst mit der Dialyse begonnen haben, sollten warten, bis sie ihren Körper unter den veränderten Verhältnissen besser kennen. Patienten, die auf eine Nierentransplantation warten, müssen ständig erreichbar sein.

Im Vordergrund der Reiseplanung steht die Kontaktaufnahme mit einem Dialysezentrum am Reiseziel: Hämodialyse-Patienten können eine Reise innerhalb Deutschlands sehr kurzfristig planen; bei Reisen ins Ausland sollten sie rechtzeitig einen Platz in einem Dialysezentrum reservieren. Da immer mehr Reedereien Schiffe mit Dialysestationen ausrüsten, können sogar Kreuzfahrten unternommen werden.

Patienten, die einePeritonealdialyse durchführen, können sich viel ungezwungener bewegen: Bei spontanen Reisen passt das Zubehör ins Reisegepäck, bei Fernreisen empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit einer Firma, die die benötigten Hilfsmittel direkt an den Urlaubsort liefert.

Reisen mit Gehbehinderung

Rollstühle sind zwar fast überall verfügbar – dennoch raten wir von einem Reiseziel wie Venedig, das reich an Treppen und Brücken ist, ab. Die Unterkunft sollte behindertengerecht ausgestattet sein. Die Mitnahme eines Rollstuhls muss bei Flugreisen vorher angegeben werden; ein ausgefülltes Formular für den Zoll (außerhalb der EU) ist ebenfalls notwendig.

Reisen mit gerinnungshemmenden Medikamenten

Die Hinweise an dieser Stelle betreffen nur Patienten, die Marcumar® zur Gerinnungshemmung einnehmen. Diejenigen, die Heparin spritzen, brauchen keinerlei Vorkehrungen zu treffen (außer ausreichend Heparin-Fertigspritzen einzupacken).

Bei Marcumar®-Patienten sollte vor der Reise mehrere Wochen lang ein konstanter Quick-Wert gemessen werden, der dann innerhalb weniger Tage nach Ankunft am Reiseziel von einem Arzt neu bestimmt werden muss. Die Blutgerinnung ist nämlich abhängig von Faktoren wie Klima, Ernährung, Alkoholgenuss oder Bewegung. Sollte eine Kontrolle der INR-Werte durch den Patienten selbst mithilfe eines Systems wie Coaguchek® erfolgen, so muss der Patient in der ersten Urlaubswoche dreimal messen, um gegebenenfalls eine Anpassung der Dosis vornehmen zu können.

Reisen an Orte ohne gesicherte medizinische Versorgung sind allerdings nicht empfehlenswert, denn die Gefahr unstillbarer Blutungen ist auch bei optimal eingestellter Marcumar®-Dosierung stark erhöht.

Reisen mit Herzerkrankungen

Die Faustregel für Patienten mit Herzerkrankungen ist ganz einfach: „Wer beschwerdefrei die Gangway hinaufkommt ist – was die Herzfunktion betrifft – auch flugtauglich.“ Nach überstandenem Herzinfarkt ist jedoch frühestens sechs Wochen nach Ausheilung und nach einem Gespräch mit dem Arzt an eine weite Reise zu denken. Bei langen Flugreisen ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, der Konsum von Alkohol oder Zigaretten sollte unterlassen werden. Vorsicht bei der Anwendung des Nitrosprays: Im Flugzeug kann die Wirkung schneller einsetzen als gewöhnlich – eine schnelle Zweitanwendung ist also zu unterlassen. Strikt zu meiden sind Aufenthalte in Höhen über 3.000 m aufgrund des Sauerstoffmangels.

Ein Herzschrittmacher stellt in der Regel kein Hindernis für eine Flugreise dar. Zwar entdecken die Metalldetektoren beim Sicherheitscheck den Schrittmacher, doch der mitgeführte Ausweis und die vorab erfolgte Information des Flughafenpersonals klären die Situation.

Reisen mit Krebs

Ob ein an Krebs erkrankter Patient in der Lage ist zu reisen (und wenn ja, welche Reiseziele geeignet sind), hängt vom Zustand des Patienten ab – eine Vielzahl von Ratschlägen sollte berücksichtigt werden, von denen nur ein paar an dieser Stelle genannt werden können:

  • Wenn Medikamente, etwa gegen Schmerzen oder Übelkeit, die Fahrtüchtigkeit beeinflussen, sollte man nicht selbst Auto fahren – unter Umständen zahlt die Versicherung im Schadensfall nicht.
  • Flugreisen sollten nur in angemessenem Abstand zu Operationen unternommen werden, weshalb die Flugtauglichkeit durch den Arzt überprüft werden sollte.
  • Patienten, deren Lymphknoten entfernt wurden, können durch erhöhte UV-Strahlung ein Lymphödem entwickeln.
  • Bestrahlte Haut darf nicht der Sonne ausgesetzt werden.
  • Vorsicht bei Thermal- oder Moorbädern: Die Kreislaufbelastung und die allgemeine Umstellung der Körperfunktionen ist nicht zu unterschätzen, die Wirkung auf die Krebserkrankung ist nicht immer abzusehen.
  • Ob Impfungen (die das Immunsystem zusätzlich belasten) verabreicht werden können, muss individuell mit dem Arzt besprochen werden.

Reisen mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen

Bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist das Reisen in Gebiete mit einem niedrigen Hygienestandard wegen einer wahrscheinlichen Verschlimmerung der Durchfälle ein hohes Risiko. Denn zum einen kommt die fragile Darmflora durch die fremde Kost durcheinander, die Beschwerden verstärken sich. Zum anderen setzen die Basistherapeutika die Immunabwehr herab und machen eine Infektion wahrscheinlicher. Aber auch Patienten mit starker Verstopfungsneigung oder Divertikulitis kann ein eingeschränktes Nahrungsmittelangebot am Urlaubsort zur Verzweiflung treiben.

So sind für Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen letztlich Luxushotels, die weltweit europäische Essensstandards garantieren, die einzige Möglichkeit, größere Komplikationen zu verhindern. In jedem Fall ist vor der Reisebuchung ein Gespräch mit dem Hausarzt anzuraten.

Reisen mit Rückenproblemen

Probleme bereiten Fahrten im Auto oder Wohnmobil. Auch Nächte in fremden Hotelbetten haben schon so manchem Patienten mit Rückenproblemen den Urlaub verdorben. Leider nehmen auch die derzeitigen Hotelklassifikationen keinerlei Bezug auf die Bettenqualität, sodass auch in einem teuren Hotel durchgelegene Matratzen die Nachtruhe verderben können. Tipp: Matratze zur Not auf den Boden legen – dann ist man zumindest den Störfaktor Lattenrost los. Wen ein Kilo zusätzliches Gepäck nicht stört, kann sich eventuell mit einer aufblasbaren Reisematratze unabhängig machen, die es heute in hoher Qualität und trotzdem reisetauglichen Packmaßen gibt (z. B. von Jack Wolfskin).