Hodenkrebs

Hodenkrebs (Hodenkarzinom): Krebs der Samenzellen des Hodens, seltener des Hodengewebes. Insgesamt für 1–2 % der bösartigen Tumoren beim Mann verantwortlich, jedoch häufigster Krebs zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Mediziner unterscheiden zwischen Seminomen (40 %) und weiteren unterschiedlichen Tumortypen, die als Nicht-Seminome (60 %) zusammengefasst werden. Gutartige Hodentumoren sind sehr selten.

Leitbeschwerden

  • Meist schmerzlose Vergrößerung und Verhärtung des gesamten Hodens, alternativ kleiner lokalisierter Knoten
  • Manchmal Schweregefühl, Ziehen an Hoden und/oder Leiste
  • In fortgeschrittenen Stadien eventuell Rückenschmerzen, Bauch- und Flankenschmerzen, Gewichtsverlust, Müdigkeit

Wann zum Arzt

In den nächsten beiden Tagen bei den genannten Beschwerden.

Die Erkrankung

Unter der Bezeichnung „Hodenkrebs“ fasst der Mediziner viele höchst verschiedene Tumoren zusammen, die von den Geweben des Hodens – den Keimzellen, dem Bindegewebe und dem hormonell aktiven Gewebe – ausgehen. Die bösartigen Hodentumoren unterscheiden sich stark hinsichtlich des Lebensabschnitts, in dem sie auftreten, der nötigen Therapie und ihrer Prognose.

  • Die größte Gruppe mit 40 % der Hodentumoren sind die Seminome. Sie haben die beste Prognose, ~ 85 % lassen sich allein durch die operative Hodenentfernung heilen.
  • Die Teratokarzinome (30 %) metastasieren rasch über die Lymphwege (lymphogen).
  • Das embryonale Karzinom (20 %) entsteht aus Keimzellen und metastasiert ebenfalls lymphogen.
  • Das Chorionkarzinom (5 %) wächst aggressiv und metastasiert frühzeitig lymphogen und über das Blut, lässt sich aber gut über einen Tumormarker wie das Schwangerschaftshormon Beta-HCG erkennen und effektiv therapieren. Tritt häufig kombiniert mit anderen Hodentumoren auf.
  • Das Teratom (5 %) enthält Muskel-, Knorpel- und Knochengewebszellen. Es zeigt nur bei Kindern einen gutartigen Verlauf, bei Erwachsenen ist es bösartig und metastasiert.

Bei jungen Männern besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Hodentumoren bei Hodenfehllagen wie Hodenhochstand oder Hodenektopie. Ein weiterer Risikofaktor ist möglicherweise der Kontakt mit Chemikalien wie Benzolen oder Lösungsmitteln.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Durch Abtasten und Ultraschall kann der Arzt einen Hodentumor mit hoher Wahrscheinlichkeit erkennen. Die Messung von Tumormarkern wie Beta-HCG (Humanes Choriongonadotropin) und AFP (Alpha-Fetoprotein) stützt die Diagnose. Sie ermöglicht dem Arzt aber vor allem, spätere Rückfälle und den Verlauf der Therapie zu beurteilen.

Prinzipien der Therapie und Verlaufskontrolle. Erster Behandlungsschritt ist immer und bei allen Tumortypen die komplette operative Entfernung des betroffenen Hodens, Nebenhodens und Samenstranganteils, wobei der Urologe von der Leiste aus operiert. So kann er den Samenstrang noch oberhalb der Tumorregion abklemmen.

Nach der Operation wird der entnommene Hoden feingeweblich untersucht (Biopsie) und der Tumortyp bestimmt. Anschließend erfolgt ein CT des Bauchraums und der Brustorgane, um eine eventuell bestehende Metastasierung zu erkennen.

Da sich die Spermienqualität beim Patienten durch die Tumortherapie stark verschlechtert, wird der Arzt auf die Möglichkeit einer Sperma-Kryokonservierung hinweisen, falls noch ein Kinderwunsch besteht. Die Kosten liegen bei 150–200 € pro Jahr. Laut aktueller Studienergebnisse sind die Chancen für eine Befruchtung mit tiefgefrorenem Sperma nur minimal geringer als mit frischem Ejakulat.

Therapie von Seminomen. Wenn noch keine Metastasen vorliegen, werden nach der Hodenentfernung Bestrahlung und Chemotherapie mit Carboplatin nur eingesetzt, um den Rückfällen entgegenzuwirken.

Sollten sich jedoch bereits Metastasen im Körper ausgebreitet haben, wird eine Chemotherapie mit mehreren Medikamenten Zytostatika und/oder eine Strahlentherapie mit höherer Dosis durchgeführt. Hier sind Nebenwirkungen wie Übelkeit und Langzeitschädigungen z. B. der Nieren stärker ausgeprägt als bei der Chemotherapie mit Carboplatin.

Therapie von Nicht-Seminomen. Auch wenn keine Metastasen vorliegen, werden nach der Hodenentfernung vorsorglich die Lymphknoten aus der Region hinter dem Bauchraum entlang der großen Bauchgefäße entfernt (Retroperitoneallymphknoten). Dies erfolgt möglichst gezielt zu Beginn der OP mit einer intraoperativen Schnellschnittuntersuchung einiger Lymphknotenstationen. So können die für die Ejakulation zuständigen Nervenbahnen oft geschont werden. Alternativ kann auch hier unter Kontrolle abgewartet werden, jedoch werden vergrößerte Lymphknoten unter Umständen erst spät entdeckt.

Finden sich bereits kleinere Metastasen (unter 5 cm) in den Lymphknoten, werden sämtliche Lymphknoten aus der Region hinter dem Bauchraum radikal entfernt (Radikale retroperitoneale Lymphknotenentfernung oder Lymphadenektomie); anschließend folgt eine verkürzte Chemotherapie.

Finden sich große Metastasen in den Lymphknoten oder Metastasen in anderen Organen, wird zuerst eine Chemotherapie durchgeführt und anschließend werden eventuell noch verbliebene Tumoranteile operativ entfernt.

Komplikationen der Therapien. Da bei der radikalen retroperitonealen Lymphknotenentfernung Nervenfasern des vegetativen Nervensystems entfernt werden, tritt als Folge sehr oft eine rückläufige Ejakulation (retrograde Ejakulation) auf, d. h. der Samenerguss erfolgt zunächst in die Blase, da der innere Blasenschließmuskel durch die OP defekt ist, und erst beim Wasserlassen nach außen. Ein Antidepressivum mit Imipramin (z. B. Tofranil®) schafft hier Abhilfe, indem es den Verschluss der Blase verbessert.

Hormonersatz und Nachsorge. Ein gesunder Hoden reicht für die Produktion von Testosteron völlig aus. Muss auch der zweite Hoden wegen eines Tumors entfernt werden oder ist er nach einer Entzündung oder einem Unfall stark geschädigt, so wird Testosteron dauerhaft von außen zugeführt (Testosteron-Ersatztherapie). Auch nach erfolgreicher Heilung folgen lebenslang regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen.

Prognose

Wenn noch keine Metastasen vorliegen, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate für Patienten mit einem Seminom ~ 99 %, für alle Nicht-Seminome zusammengefasst 89 %. Wenn sich bereits Metastasen im Körper ausgebreitet haben, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate für Seminome 68 % und für Nicht-Seminome ~ 60 %, wobei letztere sehr stark vom Ort der Metastasierung abhängt: 75 % bei Lungenmetastasen und ~ 40 % in anderen Organen.

Selbsthilfe und Früherkennung

Männer zwischen 14 und 40 Jahren sollten monatlich ihre Hoden auf Verhärtungen abtasten, möglichst in entspannter Stellung unter der Dusche oder in der Badewanne. Besonders wichtig ist die Selbstuntersuchung, wenn in der Familie bereits Hodenkrebs aufgetreten ist und bei Männern, die als Kind an Hodenhochstand litten. Damit die Selbstuntersuchung nicht zum Tabuthema gerät, sollten Eltern ihre Söhne rechtzeitig darüber aufklären.

Wenn ein Hodentumor erfolgreich therapiert wurde, muss auch der verbliebene Hoden überwacht werden. Am besten durch regelmäßige Selbstuntersuchung und ärztliche Nachsorgeuntersuchungen, da in diesem Hoden im weiteren Leben in ~ 3 % der Fälle Hodenkrebs neu entsteht.

Komplementärmedizin

Komplementärmedizinische Krebstherapien sind ausführlich an anderer Stelle im Buch besprochen.