Hodenfehllagen

Hodenfehllagen (Lageanomalien des Hodens): Lage eines oder beider Hoden außerhalb des Hodensacks. Hodenfehllagen entstehen schon vor der Geburt, wenn die Hoden während der vorgeburtlichen Entwicklung aus der embryonalen Lage etwa auf Nierenhöhe nicht abwärts wandern (Descensus), um dann durch den Leistenkanal in den Hodensack (Skrotum) zu treten. Der Hoden bleibt also oberhalb des Hodensacks hängen (Hodenhochstand, Maldescensus testis). Mediziner unterscheiden beim Hodenhochstand die Unterformen Leistenhoden, Bauchhoden und Gleithoden, wobei er möglichst rasch nach der Geburt diagnostiziert werden sollte. Bei der Hälfte der betroffenen Kleinkinder wandert der Hoden im ersten Lebensjahr jedoch noch spontan, also ohne Behandlung an die richtige Stelle, weshalb die Kinder bisher erst im zweiten Lebensjahr therapiert wurden – falls erforderlich. Mittlerweile gilt allerdings die Empfehlung, einen Hodenhochstand schon im ersten Lebensjahr zu behandeln: um Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und einem erhöhten Risiko für Hodenkrebs vorzubeugen. Bei 4 % der termingerecht geborenen Jungen und 9 % der Frühgeburten liegen zum Zeitpunkt der Geburt ein oder beide Hoden nicht im Hodensack. 

Leistenhoden (Inguinalhoden): Mit 70 % häufigste Form des Hodenhochstands, bei der sich der Hoden im Leistenkanal befindet. Sie tritt häufig in Kombination mit angeborenen Leistenbrüchen auf.

Bauchhoden: Einer oder beide Hoden bleiben im Bauchraum. Meist liegt hier ein Kryptorchismus vor, d. h. dass ein Hoden weder sichtbar noch tastbar ist. Eine Anorchie (= völliges Fehlen eines oder beider Hoden) muss hier ausgeschlossen werden.

Gleithoden: Lage des Hodens knapp oberhalb des Hodensacks, zusätzlich ist der Samenstrang im Leistenkanal zu kurz. Der Hoden kann zwar in den Hodensack gezogen werden, gleitet aber nach dem Loslassen sofort wieder zurück.

Hodenektopie: Fehllage eines oder beider Hoden an ungewöhnlichen Körperstellen, z. B. unter der Bauchhaut oder im Oberschenkel.

Von den Hodenfehllagen abzugrenzen ist der Pendelhoden, bei dem sich die Hoden überwiegend im Hodensack befinden und nur zeitweilig hoch rutschen. Ursache ist ein überaktiver Reflex des Hodenmuskels, der z. B. durch Kälte ausgelöst wird. Pendelhoden sind grundsätzlich harmlos, müssen jedoch kontrolliert werden, um den Übergang in einen Gleithoden auszuschließen.

Leitbeschwerden

Einseitig oder beidseitig leerer oder verkleinerter Hodensack ohne Falten.

Wann zum Arzt

In den nächsten Wochen, wenn der Hoden auch in der warmen Badewanne nicht im Hodensack zu tasten ist.

Die Erkrankung

Die normale Hodenlage ist wichtig, weil es nur im Hodensack kühl genug ist, um im Erwachsenenalter befruchtungsfähige Spermien zu bilden. So droht 50 % der von Hodenfehllagen Betroffenen unbehandelt eine gestörte Spermienbildung bis hin zur Unfruchtbarkeit durch Schädigung dieser Stammzellen.

Ein weiteres Problem ist das Risiko für Leistenbrüche, Hodentorsionen und die Entwicklung eines Hodenkrebses, das um ein Vielfaches erhöht ist.

Durch die rechtzeitige Operation mit Verlagerung des Hodens in den Hodensack bis zum zweiten Geburtstag werden Schäden in der Spermienreifung meistens vermieden. Dennoch bleibt das Tumorrisiko lebenslang erhöht.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Der Arzt versucht, den Hoden innerhalb des Hodensacks oder in der Leiste zu ertasten oder per Ultraschall zu finden. Ist auch dies nicht möglich, erfolgt ein Kernspin.

Wenn der Arzt nach diesen beiden Untersuchungen die Hoden nicht aufgefunden hat, hilft eine Bauchspiegelung, Laparoskopie, bei der Entscheidung, ob die Hoden entfernt oder operativ verlagert werden müssen.

Befinden sich beide Hoden im Bauchraum, stellt der Arzt noch vor einer Operation durch einen Bluttest fest, ob überhaupt Hodengewebe vorhanden ist, um das für die Entwicklung zum Mann wichtige Hormon Testosteron zu produzieren. Dazu spritzt er dem Kleinkind das Schwangerschaftshormon Beta-HCG ins Muskelgewebe, wodurch normalerweise die Hormonproduktion des Hodens angeregt wird. Nach 1–2 Tagen kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Testosteronwerts im Blut – bleibt dieser aus, so geht der Arzt davon aus, dass die Hoden komplett fehlen (Anorchie).

Hormonbehandlung. Alle Formen des Hodenhochstands werden bei Kleinkindern ab dem zehnten Lebensmonat meist versuchsweise mit Hormonen behandelt, um das Herabwandern der Hoden anzustoßen. Die Hormone gibt es als Nasenspray (LHRH = Luteinisierendes Hormon, Releasing Hormon: 3 x täglich für ca. 4 Wochen) oder sie werden direkt ins Muskelgewebe gespritzt (Beta-HCG = Humanes Choriongonadotropin: 2 x wöchentlich für 5 Wochen). Sinnvoll ist die Kombination beider Verfahren: Auf die Therapie mit Nasenspray (2-4 Wochen) folgt die weitere Behandlung mit Spritzen (3 Wochen). Die Erfolgsrate beträgt immerhin ~ 50 %, bei Gleithoden sogar über 90 %. Zeigt die erste Behandlung eine deutliche, aber nicht vollständige Wirkung, führt manchmal ein zweiter Versuch zum Erfolg. Das gilt auch für den (nicht seltenen) Fall, dass sich ein bereits herabgestiegener Hoden einige Zeit nach der Hormongabe wieder zurückzieht.

Operation. Wandern die Hoden durch die Hormonbehandlung nicht oder nicht vollständig in den Hodensack, muss operiert werden. Eine Operation ohne vorherige Hormonbehandlung ist angezeigt, wenn zusätzlich ein Leistenbruch vorliegt, die Leiste nach einer Leistenbruchoperation vernarbt ist, bei älteren Kindern ab Beginn der Vorpubertät oder wenn sich beide Hoden im Bauchraum befinden. Bei Pendelhoden und Gleithoden ist eine Operation mit Fixation des Hodens im Hodensack notwendig, um das Risiko einer Hodendrehung (Torsion) zu vermeiden.

Bei der Operation legt der Arzt den Samenstrang frei, an dem Nebenhoden und Hoden hängen (Funikulyse). Anschließend zieht er den Hoden nach unten und näht ihn im Hodensack fest (Orchidopexie).

Der Eingriff wird unter Vollnarkose vorgenommen, denn der Patient muss unbedingt still liegen. Um eine Nachblutung in der operierten Körperregion zu vermeiden, sollte sich das Kind in den ersten Tagen körperlich schonen. Bei Infektionsanzeichen (Rötung, Schwellung des Hodens) oder starken Schmerzen ist unbedingt der Arzt aufzusuchen. Weitere Kontrollen werden ambulant durchgeführt und auch nach erfolgreicher Operation sollten die Eltern bei Ihrem Kind regelmäßig die Lage der Hoden prüfen.

Sollten die Hoden nur sehr klein sein (häufig bei Bauchhoden), sind sowohl die Hormonbildung als auch die Spermienbildung stark gestört. Da „funktionsuntüchtig“, sollten sie wegen des Tumorrisikos entfernt werden.