Auf der Suche nach der besten Ernährung: zwei Antworten

Für den griechischen Arzt war klar: Nur wer sich gesund ernährt, kann sich gesund erhalten. So dachten auch andere Heiler seit Hippokrates, nur: Wie die gesunde Ernährung auszusehen habe, da kam jeder zu einem anderen Schluss.

Im wissenschaftlichen Zeitalter ist die Suche nach der gesündesten Ernährung keineswegs leichter geworden. Zwar ist immer besser bekannt, wie die einzelnen Nährstoffe im Körper wirken, aber das Bild wurde dadurch nur komplizierter: Wie viele Kohlenhydrate sind angemessen? Wie oft sollen wir essen? Sind viele kleine oder wenige große Mahlzeiten gesünder? Ist ein reichhaltiges Abendessen akzeptabel oder glattweg ungesund? Wissenschaftlich gesicherte Antworten auf diese Fragen (Wie und wann essen?) gibt es nicht.

Kein Wunder, dass es bei der Frage nach der gesündesten Ernährung so viele Wortmeldungen gibt. Wir stellen im Folgenden die beiden interessantesten und fundiertesten Konzepte der Ernährungsmedizin vor: die vollwertige Ernährung und die Mittelmeerkost.

Beide Konzepte können sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse berufen und widersprechen sich dennoch in manchen Details. Das ist unvermeidlich, denn während ein Medikament in Studien sauber getestet werden kann, ist dies bei der Ernährung schwierig. Schließlich müsste man Tausenden von zufällig ausgewählten Menschen eine bestimmte Ernährungsform verordnen und dann nach vielen Jahren oder Jahrzehnten die gesundheitliche Bilanz ziehen – das ist auch deshalb unmöglich, weil sich Menschen nun einmal keine bestimmte Ernährung verordnen lassen (siehe Geschmacksprogrammierung).

Die vollwertige Ernährung

Die ersten wissenschaftlich fundierten Ernährungsempfehlungen kamen vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA). Die regelmäßigen Aktualisierungen sind inzwischen viele hundert Seiten schwer – das meiste davon findet sich wenig später auch in den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wieder. Allerdings gibt es begriffliche Unterschiede: Während die auf wissenschaftlicher Grundlage empfohlene Ernährung von der USDA als balanced diet (ausgewogene Kost) bezeichnet wird, nennt die DGE ihre Empfehlung inzwischen vollwertige Ernährung.

Hier kommt es leicht zu Verwechslungen: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung liegt mit der vollwertigen Ernährung sprachlich sehr nahe bei der ursprünglich von Prof. Kollath in den 1970er-Jahren propagierten Vollwert-Ernährung, die damals mit ihrer Betonung von Frischkost, Vollkorn und Gemüse eine Außenseiter-Methode war.

Inzwischen liegen Vollwert- und vollwertige Ernährung inhaltlich näher beieinander – denn auch die DGE propagiert heute eine stark auf Gemüse, Obst und Vollgetreide basierende Kost. Der größte Unterschied liegt darin, dass die Vollwert-Ernährung stärker die Herstellung und Verarbeitung der Lebensmittel betont – sie fordert zum Beispiel eine überwiegend ökologische und sozial gerechte Produktion sowie umweltfreundliche Verarbeitung, Vermarktung und Verpackung. Auch verzichtet die Vollwert-Ernährung so weit es geht auf Zusatzstoffe und die industrielle Bearbeitung von Lebensmitteln.

Die neuesten USDA-Empfehlungen

Fasst man die neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen zur vollwertigen Ernährung zusammen, so lassen sich – in Anlehnung an die 2005 veröffentlichten dietary guidelines der USDA – folgende Regeln festmachen:

Fette

Gesättigte Fette, wie sie etwa in Wurstwaren reichlich vorkommen sollen begrenzt werden, und zwar auf unter 10 % der gesamten Kalorienzufuhr. Die Gesamtmenge an Fett soll „20–35 % der Kalorien nicht übersteigen“. Als geeignete Quellen gesunden Fetts werden Fisch, Nüsse und Pflanzenöle mit einem hohen Gehalt an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren empfohlen. Trans-Fette sollen „so wenig wie möglich“ konsumiert werden.

Energiebedarf

Hier wird stark auf das Bilanzprinzip abgehoben. Die Menge der aufgenommenen Kalorien soll sich nach dem Ausmaß der Bewegung richten. Um der allmählichen Gewichtszunahme im Erwachsenenalter entgegenzuwirken, wird empfohlen, die Kalorienzufuhr im Laufe des Erwachsenenalters langsam zu reduzieren und sich gleichzeitig mehr zu bewegen.

Eiweiß

Der Eiweißbedarf soll sowohl durch pflanzliches als auch tierisches Eiweiß abgedeckt werden. Für eine ausgewogene Ernährung reicht es völlig aus, zweimal pro Woche Fisch oder Fleisch zu essen. Die restliche Proteinversorgung sollte aus pflanzlichem Eiweiß und Milchprodukten bestehen.

Obst und Gemüse

Anstatt wie bisher pauschal fünf Portionen Obst oder Gemüse pro Tag zu empfehlen, sollen aufgrund der neuen Erkenntnisse über die Rolle der sekundären Pflanzenstoffe täglich zweieinhalb Portionen Gemüse verzehrt werden (aus allen Gemüsegruppen) sowie zwei Portionen Früchte.

Süßigkeiten

Süßes sollte, wenn überhaupt, nach den Mahlzeiten genossen werden. Zudem wird empfohlen, nicht nur den Zuckerkonsum, sondern auch kalorienhaltige Zuckeraustauschstoffe zu reduzieren – eine Breitseite gegen Diät-Produkte, in denen oft Zuckeraustauschstoffe wie Xylit, Sorbit und Mannit enthalten sind.

Ausdrücklich wird auch vor einer zu hohen Zufuhr von Fruchtzucker (Fructose) gewarnt und das nicht ohne Grund: Wird sie in hohen Konzentrationen genossen (etwa als Teil des in vielen Süßigkeiten und Getränken dominierenden high fructose corn syrup, HFCS), so ist mit einer noch stärkeren Insulinantwort zu rechnen als bei anderen Zuckerarten. Auf eine starke Insulinantwort folgen nicht nur stärkere Hungersignale, sondern möglicherweise auch eine stärkere Gewichtssteigerung.

Bewegung

Die Bedeutung der Bewegung wird explizit betont. Zur Verhinderung chronischer Krankheiten werden „mindestens 30 Minuten Bewegung an den meisten Tagen der Woche“ empfohlen, bei Gewichtsproblemen sogar 60 Minuten.

Was kochen?

Das tatsächliche Problem heißt aber: Was koche ich heute? Die wissenschaftlichen Empfehlungen krankten jedoch schon immer an ihrer Alltagsuntauglichkeit. Was heißt „zweieinhalb Portionen Gemüse aus allen Gemüsegruppen“ für den, der den Kochtopf bestückt oder in den Regalen des Supermarkts unterwegs ist? Was sollen Empfehlungen wie „Ab 20 g Butter lieber Öl verwenden, das ungesättigte Fettsäuren enthält“? Sollen wir mit Feinwaage und Taschenrechner kochen? Das schmeckt den meisten Menschen – zurecht – nicht.

Anstatt an Ernährungsmathematik zu verzweifeln, hilft es, die vollwertige Ernährung als Weg zu sehen. Die wichtigsten Schritte auf diesem Weg sind, alte Gewohnheiten zu ändern:

  • Kontinentales Frühstück. Die morgendliche Semmel (oder Weißbrot) mit Aufstrich durch ein frisches Müsli aus Haferflocken oder Frischkorn mit Obst und Milch oder Joghurt zu ersetzen ist für die Gesundheit ein riesiger Gewinn.
  • Kalorienreiche Getränke. Ein zweiter großer Schritt besteht darin, die süßen Getränke (ob gesüßte Limonade, Fruchtnektar, Eistee oder die angeblich gesunden Fruchtsäfte) durch Wasser, Mineralwasser oder auch wenig gesüßten Tee zu ersetzen.
  • Fette und Öle. Anstatt auf Backfett, Majo, Fertigsaucen, Dressing und dergleichen zu setzen, gehört eine große Flasche Olivenöl in die Küche, die kann alles. Und wem dieses Öl nicht schmeckt oder zu eintönig ist, der kann auch Rapsöl verwenden. Es hat einen völlig anderen Geschmack und ist genauso gesund. Gehärtete Fette und Trans-Fette sollten möglichst ganz vermieden werden.
  • Snacks zwischendurch. Stellen Sie sich eine große Schale mit Obst genau dorthin, wo bisher die Snacktüten, Süßigkeiten und Kekse stehen, daneben ein Glas mit Nüssen (z. B. Mandeln schmecken jedem und sind gut haltbar). Auch Trockenfrüchte wie Datteln, Pflaumen oder Feigen sind lecker.

Die mediterrane Ernährung

Während die Empfehlungen zur vollwertigen Ernährung auf Basis wissenschaftlicher Annahmen über die Wirkung einzelner Nahrungsbestandteile entwickelt wurden, gingen die Befürworter der mediterranen Ernährung (Mittelmeerkost) einen ganz anderen Weg. Sie beobachteten in den 1950er-Jahren, dass die Bevölkerung von Kreta, die sich damals noch stark nach der traditionellen Ernährungsart des Mittelmeerraums richtete, im Vergleich mit anderen europäischen Ländern und den USA die längste Lebenserwartung und die geringste Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatte. Die traditionellen Ernährungsgewohnheiten des Mittelmeerraums, schlossen die Wissenschaftler, stellen womöglich die in einem jahrhundertealten Experiment bestätigte gesündeste Art der Ernährung dar.

Was ist die mediterrane Ernährung?

In den 16 Anrainerstaaten des Mittelmeers wird unterschiedlich gegessen, aber manche Gewohnheiten überschneiden sich stark und sind vor allem in der traditionellen Ernährung Griechenlands und Süditaliens zu finden:

  • Täglicher Verzehr von Früchten, Gemüse, nicht geschältem Getreide und Milchprodukten
  • Olivenöl als hauptsächliches Koch- und Speisefett
  • Moderater Verzehr von Geflügelfleisch, Nüssen, Kartoffeln und Eiern
  • Häufiger Verzehr von Fisch
  • Seltener Verzehr von rotem Fleisch
  • Täglicher moderater Genuss von Wein
  • Frische Zubereitung der Mahlzeiten und der Verzicht auf industriell vorgefertigte Nahrung

Die mediterrane Ernährung wird immer wieder als mediterrane Diät bezeichnet. Dies rührt daher, dass im Englischen „diet“ sowohl Ernährung als auch Diät heißt. Es handelt sich jedoch um eine traditionelle Form der Ernährung, nicht um eine Diät, die man ein paar Monate lang ausprobiert.

Wie wirkt die mediterrane Ernährung?

Je genauer die Ernährungswissenschaftler die Inhaltsstoffe der mediterranen Ernährung untersuchten, desto plausibler erschien ihnen ihre gesundheitlich positive Wirkung:

  • Der hohe Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren sowie der hohe Anteil an Omega-3-Fettsäuren verbessert das Blutfettprofil.
  • Zudem schützen möglicherweise die vielen sekundären Pflanzenstoffe aus Obst und Gemüse die Gefäße, wie etwa das antioxidativ wirkende Vitamin E, Flavonoide und andere Phenole (gerade das Olivenöl zeichnet sich durch einen sehr hohen Phenolgehalt aus).
  • Der hohe Anteil an löslichen Faserstoffen wirkt positiv auf den Kohlenhydratstoffwechsel und sorgt für eine hohe Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin. Dies ist wichtig zur Verhinderung des metabolischen Syndroms.

Interessant an der mediterranen Ernährung ist der – mit bis zu 40 % – relativ hohe Fettanteil. Allerdings liegen die Fettsäuren in einem anderen Verhältnis vor als in der gängigen modernen Kost: Das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren liegt bei 1,5:1 – und ist damit etwa zehnmal niedriger als in der modernen westlichen Ernährung.

Dass die mediterrane Ernährung sich in der Praxis bewährt, zeigen große Studien. So wurde bei Patienten mit metabolischem Syndrom das Risiko für eine Herzgefäßerkrankung durch Wechsel auf eine Mittelmeerkost um 35 % gesenkt. Auch nach einem Herzinfarkt kann die Umstellung weitere Gefäßkomplikationen verhindern helfen. Und schon nach drei Monaten lassen sich bei einer Umstellung auf mediterrane Ernährung ein niedrigerer Blutdruck und eine Besserung der Blutfette beobachten. Kein Wunder, dass inzwischen einzelne Komponenten der Mittelmeerkost auch Eingang in die Empfehlungen zur vollwertigen Ernährung gefunden haben, insbesondere die Pflanzenöle und der reichliche Verzehr von Obst und Gemüse. Außerdem schmeckt die Mittelmeerkost auch noch gut und ist ausgesprochen leicht zuzubereiten.