Bandscheibenschäden

Bandscheibenschäden: Oberbegriff für Schäden an den Zwischenwirbelscheiben, unterteilbar in Bandscheibenvorwölbung (Protrusio), Bandscheibenvorfall (Prolaps) und Bandscheibendegeneration (Chondrose). Als Folge normaler Alterungsprozesse sind Bandscheibenschäden sehr häufig und verursachen oft keine Beschwerden.

Treten Schmerzen auf, lassen sie sich meist durch Schmerzmittel und Krankengymnastik beherrschen. Nur wenn Nerven eingeengt werden, werden Bandscheibenschäden zum medizinischen Notfall und erfordern eine operative Behandlung. Diese reicht von der Entfernung des störenden Bandscheibengewebes (durch Operation, Laserabtragung, chemische Auflösung) über Versteifungsoperationen bis hin zum Einsatz von Bandscheibenprothesen.

Leitbeschwerden

  • Lokale Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung (bei leichteren Bandscheibenschäden)
  • Lokale Rückenschmerzen mit – meist einseitigen – Ausstrahlungen in Arm oder Bein
  • Taubheit und Lähmungen in Arm oder Bein (beim Bandscheibenvorfall)
  • Kontrollverlust für Wasserlassen und Stuhlgang (Kaudasyndrom) und/oder Gefühlsstörungen (Kribbeln oder Taubheit) an der Oberschenkelinnenseite und um den After (Reithosenanästhesie)

Wann zum Arzt

  • Nach ein bis zwei Wochen bei lokalen Schmerzen ohne Ausstrahlungen
  • Innerhalb weniger Tage bei leichter, anhaltender Taubheit in Arm oder Bein
  • Innerhalb eines Tages bei Lähmungen oder ausgedehnter Taubheit in Arm oder Bein
  • Sofort bei zusätzlichen Blasen- und Stuhlgangsproblemen

Die Erkrankungen

Bandscheiben bestehen aus einem derben Faserknorpelring (Anulus fibrosus) und einem zentral eingelagerten Gallertkern (Nucleus pulposus). Durch Alterungsprozesse entstehen Risse im Faserknorpelring. Wenn Teile des Gallertkerns in die Risse eindringen, führt dies zu einer Vorwölbung (Protrusion) oder Aussackung (Vorfall, Prolaps) des Faserknorpelrings in den Wirbelkanal.

Bandscheibendegeneration

Im Unterschied dazu beschreibt die Bandscheibendegeneration eine alterungsbedingte Höhenminderung der Bandscheibe. Diese entsteht durch den verminderten Wassergehalt des Gallertkerns und die bereits beschriebenen Risse im Faserknorpelring. Die Höhenminderung stört die fein aufeinander abgestimmten Bewegungen zwischen zwei Wirbeln und führt im weiteren Verlauf oft zu zunehmenden Schädigungen an den angrenzenden Wirbelkörpern, Osteochondrose und Zwischenwirbelgelenken, Spondylarthrose, unechte Spondylolisthese. Letztere verursachen gelegentlich hartnäckige Rückenschmerzen, die der Arzt als Facettensyndrom bezeichnet.

Bandscheibenschäden können, müssen aber nicht Ursache von Beschwerden sein. Ein normaler, altersentsprechender Verschleiß ist nicht notwendigerweise als krankhaft einzustufen. Entscheidend ist die Frage, ob und in welchem Maße die veränderte Bandscheibe benachbarte Nerven einquetscht. Eine solche Einengung (Nervenkompression) äußert sich in neurologischen Symptomen, entweder als Gefühlsstörung oder als Lähmung (Muskelschwäche) in Armen oder Beinen. Aus den betroffenen Körperarealen lässt sich schließen, auf welcher Höhe der verantwortliche Bandscheibenvorfall liegt.

Symptome einer Nerveneinengung machen einen Bandscheibenvorfall zum Notfall. Unbehandelt drohen dauerhafte Nervenschäden, die später chronische Schmerzen sowie bleibende Gefühlsstörungen und Lähmungen verursachen. Deshalb ist es erforderlich, rasch einen Arzt aufzusuchen und mit der Behandlung zu beginnen. Leicht geschädigte Nerven erholen sich eventuell wieder im Verlauf mehrerer Monate.

Auch wenn Rückenschmerzen darauf hinzudeuten scheinen, sind Lähmungen und Gefühlsstörungen nicht in jedem Fall Folgen von Bandscheibenvorfällen. Auch wenn Nerven woanders eingeengt werden, entstehen ähnliche Symptome, z. B. beim Karpaltunnelsyndrom oder Sulcus-ulnaris-Syndrom. Zu Verwechslungen führen manchmal auch Nervenschädigungen, Polyneuropathien, z. B. durch Diabetes, sowie Hirn- und Rückenmarkerkrankungen wie Multiple Sklerose oder amyotrophe Lateralsklerose.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Durch Befragung und körperliche Untersuchung stellt der Arzt fest, ob Nerven eingeengt sind. Bei einem entsprechenden Verdacht folgen weitergehende Untersuchungen, meist ein Kernspin oder CT. Gelegentlich ist auch eine elektrische Untersuchung der Nervenfunktion (Messung der Nervenleitgeschwindigkeit) erforderlich, um bei unklaren Beschwerden Nervenschäden nachzuweisen.

Zahlreiche Forscher beschäftigten sich in den 1980er und 1990er Jahren mit Kernspinuntersuchungen von Lendenwirbelsäulen bei gesunden Menschen. Ungeachtet der Unterschiede im Detail zeigten alle Studien einen hohen Prozentsatz von (beschwerdelosen) Bandscheibenschäden aller Art. Entdeckt also der Arzt im CT oder Kernspin einen Bandscheibenvorfall, wird er den Zusammenhang mit bestehenden Beschwerden kritisch prüfen. Was bei dem einen Patienten einen irrelevanten Befund darstellt, bedeutet bei einem anderen möglicherweise einen medizinischen Notfall. Umgekehrt findet der Arzt häufig auch bei stärksten Rückenschmerzen keine Entsprechung im CT oder Kernspin.

Konservative Therapie. Schmerzen sind meist gut mit Medikamenten zu behandeln , je nach Intensität der Beschwerden in unterschiedlicher Kombination. In hartnäckigen Fällen helfen kurzfristig oft Injektionen von örtlichen Betäubungsmitteln und Kortisonpräparaten neben die eingeengte Nervenwurzel (periradikuläre Therapie) oder neben das Rückenmark (peridurale Infiltration). Eine gute, schmerzlindernde Wirkung zeigen auch physiotherapeutische Verfahren; dabei sind Massagen auf Dauer weniger effektiv als aktive Krankengymnastik (auch an Geräten); und auch der langfristige Nutzen von Wärmebehandlungen (z. B. Fangopackungen), Elektrotherapie oder manueller Therapie ist begrenzt. Leider bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen solche aktiven physiotherapeutischen Maßnahmen nur in beschränktem Umfang, sodass der Arzt nach Beendigung einer Behandlungsserie (18 Termine) mit der nächsten Verschreibung mindestens drei Monate warten muss.

Nerveneinengungen erfordern eine sofortige, üblicherweise stationäre Behandlung mit Infusionen, bestehend aus Kortison zur Entzündungshemmung und Abschwellung, Schmerzmitteln und häufig einem Vitaminpräparat. Zusätzlich erfolgen oft peridurale Infiltrationen, meist über einen dünnen Schlauch (Katheter), der mehrere Tage liegen bleibt. Führen diese Maßnahmen zur Besserung, beginnen die Betroffenen nach einigen Tagen mit Krankengymnastik und kehren dann schrittweise in ihren Alltag zurück.

Operative Therapie. Lassen sich starke Nervenschmerzen oder Lähmungen so nicht beherrschen, ist eine operative Behandlung erforderlich. Als dringender Notfall gilt insbesondere das Kaudasyndrom (Leitbeschwerden), das auf ausgedehnte Bandscheibenvorfälle mit Einengung des gesamten Wirbelkanals hinweist. Ziel der Operation ist es, das störende Gewebe durch verschiedene Verfahren zu entfernen. Neben konventionellen, offenen Operationen kommen dabei v. a. minimal-invasive Operationen zum Einsatz, entweder endoskopisch (perkutane Nukleotomie) oder als mikrochirurgischer Eingriff unter Verwendung eines Mikroskops. Nur ausgedehnte und ältere Bandscheibenvorfälle erfordern eine offene Operation im Krankenhaus.

Umstrittene alternative Behandlungsmethoden, die zwischen konservativer und operativer Therapie stehen, verwenden Laserstrahlen (Laserabtragung) oder Injektionen von chemischen Substanzen wie Chymopapain, Kortison oder Ozon, um Bandscheibengewebe aufzulösen (Chemonukleolyse). Welche dieser alternativen Therapien welchen Patienten nutzt, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht klar, viele Autoren betonen jedoch die Risiken z. B. schwerer allergischer Reaktionen. 

Nach der Entlastung erholen sich die Nerven umso besser, je kürzer sie eingeengt waren. Da die Erholungszeit manchmal bis zu einem Jahr dauert, ist viel Geduld gefordert. Abhängig von der Behandlungsmethode und den vorbestehenden Schäden sind in 60–80 % der Fälle deutliche Besserungen zu erwarten.

Bandscheibenprothesen. Der Ersatz von Bandscheiben durch Imitate aus Metall und Hartkunststoff ist ein neues Operationsverfahren. Die Lebensdauer der Bandscheibenprothesen und die möglichen langfristigen Komplikationen sind aber noch nicht genügend erforscht, um das Verfahren zur Standardoperation zu erklären.

Forschungsergebnisse haben allerdings gezeigt, dass der längerfristige Erfolg von Bandscheibenoperationen, die wegen Schmerzen erfolgen, der konservativen Behandlung nicht überlegen ist. Bereits drei Jahre nach der Operation ist kein Unterschied mehr in Bezug auf den Rückgang der Beschwerden festzustellen.

Zudem verschlechtern sich bei ~ 12 % der (konventionell) Operierten die Beschwerden, da wucherndes Narbengewebe zu einem erneuten Druck auf die Nerven führt. Diese Komplikation, Postnukleotomiesyndrom genannt, führt zu äußerst hartnäckigen Schmerzen und lässt sich nur in Ausnahmefällen erneut chirurgisch behandeln. Als weitere Komplikation haben Bandscheibenoperationen manchmal zur Folge, dass der betroffene Wirbelsäulenabschnitt instabil wird. In diesem Fall ist oft eine Versteifungsoperation erforderlich.

Selbsthilfe und Vorsorge

Bei akuten Beschwerden ist es entscheidend, rasch wieder in Bewegung zu kommen und den Teufelskreis von Schmerz – Verspannung – mehr Schmerz zu durchbrechen. Zur Vorbeugung sind sämtliche Varianten rückenschonenden Verhaltens zu empfehlen. Für detaillierte Information zu diesen Themen siehe Selbsthilfe bei Rückenschmerzen.

Komplementärmedizin

Bei lokal begrenzten Beschwerden ohne ausstrahlende Schmerzen in die Extremitäten kommen die gleichen komplementärmedizinischen Methoden in Betracht wie die im Abschnitt Rückenschmerzen beschriebenen Maßnahmen.

Manuelle Therapien. Insbesondere die Osteopathie und die Wirbelsäulentherapie nach Dorn geben Behandlungserfolge an, ebenso liegen Berichte vor, wonach Akupunktur und Magnettherapie in vielen Fällen die Beschwerden lindern. Die Homöopathie bietet eine Konstitutionstherapie z. B. mit Hedera helix oder Viscum album an. Sanfte Bewegungstherapien wie Yoga, Tai Chi, Qigong und Feldenkrais sind bei wiederkehrenden Beschwerden empfehlenswert. Lässt das Krankheitsbild auf eine Nerveneinengung schließen, können komplementärmedizinische Maßnahmen jedoch nicht (mehr) viel ausrichten – geht dadurch z. B. wertvolle Zeit für die dringend notwendige Infusionsbehandlung bzw. eine peridurale Infiltration verloren, kann sogar Schaden entstehen.