Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS, Encephalomyelitis disseminata, ED): Abrupt oder schleichend einsetzende, oft in Schüben verlaufende, chronisch-entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, die durch eine herdförmige Entmarkung von Nervensträngen gekennzeichnet ist. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, Frauen erkranken häufiger als Männer.

Forscher haben herausgefunden, dass auch humane Herpesviren vom Typ 6 (HHV 6) bei der Erkrankung eine Rolle spielen. Diese Viren nisten sich in der Nasenschleimhaut ein und dringen von dort – so nehmen die Experten an – ins Gehirn vor, wo sie Entzündungen auslösen. Einer neuen Theorie zufolge ist auch der Fettstoffwechsel relevant. Dieser soll bei MS-Patienten gestört sein. Deshalb entstünde beim Abbau von Fetten im Gehirn als Stoffwechselprodukt das schlechte LDL-Cholesterin. Sammelte sich dieses im Gehirn an, bildeten sich sogenannte Plaques, die wiederum die entzündliche Immunreaktion der MS auslösten. In den westlichen Industrieländern ist die Multiple Sklerose bei den unter 50-Jährigen die häufigste chronische neurologische Erkrankung, in Deutschland gibt es rund 120.000 Betroffene. 

Art und Intensität der Symptome sind individuell unterschiedlich, je nachdem, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind. Der Krankheitsverlauf variiert von (scheinbaren) Heilungen bis hin zu rasch eintretender Invalidität; insgesamt ist er günstiger als meist vermutet: Zwei Drittel der Betroffenen werden auch nach langem Verlauf nicht pflegebedürftig, wobei die Prognose der schubförmigen Verlaufsform besser ist als die der progredienten.

Leitbeschwerden

  • Empfindungsstörungen, vor allem Taubheitsgefühl („Pelzigsein“), Kribbelgefühl („Ameisenlaufen“), vermindertes Berührungsempfinden 
  • Sehstörungen, insbesondere verschwommenes Sehen, Doppelbilder 
  • Schwächegefühl und Lähmungen, häufig in den Beinen, möglicherweise mit unsicherem, breitschrittigen (breitbasigen) Gangbild („Seemannsgang“) 
  • Sprechstörungen, vor allem undeutliche, „abgehackte“ Sprache 
  • Eventuell Blasen- und/oder Mastdarmfunktionsstörungen 

Wann zum Arzt 

Am nächsten Tag, wenn 

  • nicht erklärbare Empfindungsstörungen und/oder Schwächegefühle in den Beinen auftreten. 
  • man selbst oder andere meinen, die Sprache oder der Gang habe sich verändert. 

Heute noch, wenn

  • man auf einmal das Gefühl hat, schlechter zu sehen. 
  • (leichte) Lähmungen auftreten. 

Sofort, wenn

  • starke Sehstörungen auftreten. 
  • Blasen- oder Darmkontrolle beeinträchtigt sind. 

Die Erkrankung 

Die Ursache der Multiplen Sklerose ist nach wie vor unklar. Nach heutigem Kenntnisstand führen äußere Einflüsse auf dem Boden einer erblichen Veranlagung zu Autoimmunprozessen („Selbstbekämpfungsvorgängen“) in Gehirn und Rückenmark, die dann 10–20 Jahre später in die Erkrankung münden. 

Welches Gewicht dabei der erblichen Veranlagung und welches den äußeren Faktoren zukommt, kann nicht genau benannt werden. Wahrscheinlich spielt die erbliche Veranlagung die weit geringere Rolle. Obwohl enge Verwandte ein höheres Krankheitsrisiko haben, ist dieses in absoluten Zahlen gering (etwa 1 %). 

Auch über die äußeren Einflüsse, die den Autoimmunprozess in Gang setzen, ist wenig bekannt. Studien legen nahe, dass sie in den ersten 15–20 Lebensjahren einwirken. Die wahrscheinlichsten Faktoren sind Infektionen, vor allem Virusinfektionen, Belege fehlen aber bislang. 

Die Nerven liegen blank 

Die Informationen im Nervensystem werden über lange, dünne Nervenzellfortsätze weitergeleitet, die von einer isolierenden fetthaltigen Markscheide (Myelinscheide) umgeben sind. Infolge des Autoimmunprozesses zerstören körpereigene Abwehrzellen diese Markscheiden (Demyelinisierung) und führen an vielen Stellen in Gehirn oder Rückenmark zu einer Entzündung. Dadurch ist die Informationsleitung an dieser Stelle erschwert oder gar unmöglich. Sind kritische Stellen von diesem „Informationsstopp“ betroffen, erfolgen Ausfälle wie etwa Sehstörungen. Es kann aber auch sein, dass der Entzündungsherd (Plaque) völlig unbemerkt bleibt. Im weiteren Verlauf klingt die Entzündung wieder ab, die Beschwerden bessern sich oder verschwinden sogar wieder, bis nach Monaten oder Jahren ein neuer Entzündungsherd mit entsprechenden Beschwerden entsteht. Dies ist der primär schubförmige Verlauf, der mit rund 80–90 % am häufigsten ist. Was den einzelnen Schub ausgelöst hat, bleibt in aller Regel unklar. 

Mit der Zeit können die Nervenfortsätze selbst zugrunde gehen, aber auch eine Narbenbildung als Reaktion auf die Entzündung verschlechtert die Informationsweiterleitung. Dies könnte erklären, warum bei nicht wenigen Betroffenen nach anfänglich schubförmigem Verlauf nach Jahren die Beschwerden zunehmen, ohne dass Schübe nachweisbar sind (sekundär progredienter Verlauf).

Mit rund 10 % an zweiter Stelle (bei spätem Erkrankungsbeginn häufiger) steht der primär chronisch-progrediente Verlauf. Hier nehmen die Erkrankungszeichen von Beginn der Erkrankung an langsam, aber stetig zu. Der progredient schubförmige Verlauf betrifft 2–3 % der Patienten; hierbei überlagern Schübe von Beginn an eine kontinuierliche Verschlechterung. Die mit knapp 2 % seltenste akute Form ist von einem rasanten Verlauf gekennzeichnet, der innerhalb weniger Wochen zum Tode führen kann. 

Vielfältige Symptomatik 

Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, an welcher Stelle sich der Entzündungsherd befindet. Im Prinzip sind also sehr viele Krankheitszeichen möglich, doch kommen einige Störungen besonders häufig vor, so z. B. Seh- und Empfindungsstörungen zu Beginn der Erkrankung. Meist sind die Beschwerden leicht und dauern nur kurz, sodass sie nicht selten fehlgedeutet werden. 

Im Lauf der Jahre treten bei über 80 % der Betroffenen Lähmungen auf, die unterschiedlich stark sind. Rumpfferne Extremitätenabschnitte sind häufiger betroffen als rumpfnahe, die Beine stärker als die Arme. Typischerweise ist dabei die Muskelgrundspannung zu hoch (spastische Lähmung), was Bewegungen zusätzlich erschwert. Auch ist die Feinabstimmung der Bewegungen gestört; dies zeigt sich z. B. durch undeutliches oder „abgehacktes“ Sprechen, zittrige oder überschießende Bewegungen. 

Anfangs ebenfalls selten, aber mit zunehmender Erkrankungsdauer häufiger, sind Störungen der Blasenfunktion, vor allem ein plötzlicher Harndrang, der so heftig werden kann, dass die Betroffenen nicht mehr rechtzeitig die Toilette erreichen. Typisch sind auch Störungen der Sexualfunktion. 

Psychische Veränderungen wie Euphorie, depressive Verstimmungen und Konzentrationsstörungen sind möglich und in ihrer Häufigkeit schwerer zu beziffern als „messbare“ Beschwerden. Als charakteristisch für Multiple Sklerose gilt eine erhöhte Müdigkeit, die so stark sein kann, dass der Patient nicht mehr arbeitsfähig ist. 

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Besteht nach einer neurologischen Untersuchung ein Anfangsverdacht, sollen die evozierten Potenziale und ein Kernspin des Gehirns und/oder des Rückenmarks weitere, bis dahin unbemerkte Herde aufdecken, wobei Herde an verschiedenen Stellen des zentralen Nervensystems ein wesentliches Diagnosekriterum sind. 

Da das klinische Bild zunächst selten wirklich eindeutig ist, und weil die Diagnose Multiple Sklerose folgenschwer ist, wird die definitive Diagnose in der Praxis nur gestellt, wenn durch Folgeuntersuchungen eine Reihe von Kriterien erfüllt werden, so: 

  • Nachgewiesene Entzündungen zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedlichen Stellen in Gehirn und/oder Rückenmark (es gibt nicht wenige Menschen, die nur einmal in ihrem Leben Multiple-Sklerose-verdächtige Beschwerden haben und bei denen sich trotz Ausschöpfung der heutigen diagnostischen Möglichkeiten nicht feststellen lässt, woher diese rühren). 
  • Der Nachweis einer verzögerten Erregungsleitung in den evozierten Potenzialen, die mit der MS-typischen Nervenschädigung korrespondiert.
  • Zellvermehrungen im Liquor als Ausdruck der Entzündung und/oder Immunglobuline, die im Blut fehlen (oligoklonale Banden des IgG). Diese oligoklonalen Banden sind jedoch ebenfalls kein sicherer Beweis für eine Multiple Sklerose, sondern bedeuten nur, dass im Zentralnervensystem selbst Immunglobuline gebildet worden sind. 
  • Der Ausschluss anderer infrage kommender Erkrankungen wie etwa eine Borreliose durch Blutuntersuchungen. 

Therapie 

Ziele der Behandlung sind das möglichst rasche Abklingen der Beschwerden im Schub, die Unterdrückung weiterer Schübe, die Bekämpfung belastender Beschwerden und das Verhindern von Komplikationen. Wichtigste Säule der Therapie ist der Einsatz von Medikamenten; physiotherapeutische Maßnahmen helfen, (zurückbleibende) Störungen zu mindern. 

Behandlung im Schub. Standardbehandlung im akuten Schub sind möglichst früh einsetzende, hoch dosierte Kortisoninfusionen (Glukokortikoidinfusionen) über wenige Tage, die bei unzureichendem Erfolg nach zwei Wochen wiederholt werden können. Danach ist eine Tabletteneinnahme über etwa zwei Wochen möglich. 

Hilft auch die zweite Serie von Infusionen nicht oder verschlimmern sich die Beschwerden sogar, kann eine Plasmapherese (Plasmaaustauschbehandlung) vorgenommen werden, die aber nur in speziellen Zentren möglich ist. Dabei wird das Blut des Patienten ähnlich wie bei der Dialyse durch eine Maschine geleitet, wo die flüssigen Bestandteile des Bluts (das Plasma) entfernt und durch eine Eiweißlösung ersetzt werden, um im Blut gelöste schädliche Abwehrstoffe zu entfernen. 

Behandlung nach Abklingen eines Schubs. Zweites Ziel der Behandlung ist es, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Entsprechend den mutmaßlichen Ursachen handelt es sich dabei um Substanzen, die das Abwehrsystem verändern. Mediziner befürworten einen frühen Behandlungsbeginn nach dem ersten oder zweiten bemerkten Schub, da die Nervenzellen selbst wohl früher geschädigt werden als noch vor wenigen Jahren angenommen. 

Medikamente der ersten Wahl bei schubförmigem Verlauf sind Interferone und Glatirameracetat (Copaxone®). Immunglobulininfusionen oder Zytostatika sind Reservesubstanzen. Bei progredienten Verläufen werden Zytostatika gegeben, wobei es keine einheitlichen Empfehlungen gibt. 

Die Hoffnungen für die Zukunft konzentrieren sich derzeit auf monoklonale Antikörper und das Hormon Erythropoetin. Ob diese Hoffnungen berechtigt sind, ist noch offen. 

Beschwerdelinderung und Komplikationsvermeidung. Es kommt vor, dass sich Beschwerden nicht mehr vollständig zurückbilden. Ein Großteil kann jedoch medikamentös gelindert werden, so etwa die Spastik oder heftiger Harndrang. 

Seit Juli 2011 steht MS-Patienten ein cannabishaltiges Spray (Sativex®) zur Verfügung. Auf die Mundschleimhaut gesprüht, hilft das Medikament gegen Spastiken. Gedacht ist es vor allem für diejenigen, die unter mittleren bis schweren Krampfzuständen leiden und auf die üblichen Wirkstoffe Baclofen oder Clonazepam nicht ansprechen. Sativex® enthält zwar THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) – den psychoaktiven Inhaltsstoff der Cannabis-Pflanze –, einen Rausch bekommen die Patienten aber nicht. Das verhindert die Kombination von THC mit der Substanz Cannabidiol.

Eine frühzeitig einsetzende Physiotherapie und gegebenenfalls Ergotherapie oder eine logopädische Behandlung helfen, die Selbstständigkeit zu erhalten und nach akuten Schüben eventuell zurückbleibende Schäden zu mindern. Starre Behandlungspläne gibt es nicht. Die Therapie wird auf die Probleme jedes einzelnen Patienten zugeschnitten, wobei Bewegungsübungen möglichst in den Alltag integriert werden. 

Selbstbehandlung 

Die zwei Buchstaben MS stehen für Angst und Unsicherheit: Welche Auswirkungen wird die Erkrankung auf mein alltägliches Leben und meine Zukunftspläne haben? Muss ich meinen Beruf aufgeben? Was bedeutet meine Erkrankung für die Familie? Werde ich über kurz oder lang zum Pflegefall? Tatsächlich kann niemand vorhersagen, welche Einschränkungen und Folgeerscheinungen im Einzelfall zu erwarten sind – dafür ist der individuelle Krankheitsverlauf zu unterschiedlich. Diese Ungewissheit ist mindestens ebenso belastend wie die Bewältigung der Beschwerden. 

  • Versuchen Sie, Ihre Erkrankung anzunehmen! Konzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, nicht auf die mit der Erkrankung verbundenen Beeinträchtigungen. Auch in Beruf und Privatleben sollten Sie sich nicht mehr Einschränkungen auferlegen als unbedingt nötig. 
  • Wenn Sie Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht, darum zu bitten und sie anzunehmen. 
  • Bleiben Sie so aktiv, wie Sie können. Es spricht z. B. nichts dagegen, regelmäßig Sport zu treiben oder zu reisen – achten Sie aber darauf, dass Sie die Grenze Ihrer Belastbarkeit nicht überschreiten. 
  • Stress kann Schübe auslösen. Finden Sie heraus, welche Stressfaktoren für Sie ungünstig sind. Um Stress abzubauen helfen auch Entspannungsverfahren
  • Multiple Sklerose ist kein Grund, auf Kinder zu verzichten. Generell sollte eine Schwangerschaft in Rücksprache mit dem Neurologen und dem Frauenarzt geplant werden, da die MS-Medikamente rechtzeitig geändert oder abgesetzt werden müssen. 

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und Freunden über Ihre Gefühle und Sorgen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, die praktischen Probleme zu lösen. 

Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung mit reichlich pflanzlichen Produkten, ausreichend Fisch und wenig Fleisch ist die beste Ernährungsform für Multiple-Sklerose-Betroffene. Einige alternative Heilverfahren schreiben zwar rigide Diätvorschriften oder teure Spezialnahrung vor, aber bisher konnten weder eine spezielle (MS-)Diät noch die Einnahme von hoch konzentrierten Pflanzenextrakten, Vitaminen oder speziellen Nahrungsergänzungsmitteln eine nachhaltige Besserung oder gar Heilung bewirken. Falls Sie dennoch bestimmte Ernährungsprogramme ausprobieren möchten: Achten Sie darauf, dass der tägliche Nährstoffbedarf gedeckt wird und mit der Diät keine unzumutbare Einschränkung Ihrer Lebensqualität verbunden ist. Wenn Sie unsicher sind, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob auch er eine Änderung Ihrer Ernährungsgewohnheiten befürwortet. 

Rauchen sollte tabu sein. Regelmäßiger Nikotinkonsum ist nicht nur für Herz, Kreislauf und Atemwege schädlich, sondern scheint auch den Verlauf einer Multiplen Sklerose zu verschlechtern. 

Infektionen können Schübe auslösen. Lassen Sie sich deshalb regelmäßig gegen Grippe impfen, verzichten Sie im Zweifelsfall auf einen Besuch bei einem erkrankten Gastgeber und vermeiden Sie in Grippezeiten allzu häufiges Händeschütteln. Sich aus Angst vor Infektionen zu isolieren, ist allerdings auch nicht sinnvoll. 

Auch wenn hohe Temperaturen die Krankheit selbst nicht verschlimmern können, verursacht Wärme bei vielen Betroffen eine vorübergehende Verschlechterung der Beschwerden. Deshalb sollten Sie längere Aufenthalte in der Sonne meiden, besonders anstrengende Tätigkeiten auf kühlere Tageszeiten verlegen, auf Saunabesuche verzichten und mit lauwarmem Wasser baden oder duschen. Auch bei der Wahl des Urlaubsgebiets sollte diese Temperaturabhängigkeit berücksichtigt werden. 

Impfungen wirken sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auf den Krankheitsverlauf aus. Klären Sie aber trotzdem jede Impfung mit Ihrem Arzt und besprechen Sie mit ihm den günstigsten Zeitpunkt – bei einer medikamentösen Unterdrückung der Abwehr bleibt die Impfung eventuell wirkungslos oder darf gar nicht durchgeführt werden. 

Unterstützung durch Angehörige 

Auch die Angehörigen müssen damit klarkommen, dass der Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose nicht vorhersehbar und damit nicht „planbar“ ist. Im Idealfall ist der Kranke auch noch Jahre nach Krankheitsbeginn so wenig beeinträchtigt, dass er weiterhin seinen Beruf ausüben und seine Rolle in der Familie ausfüllen kann. Es kann aber auch sein, dass er pflegebedürftig oder sogar bettlägerig wird und auf eine Rundum-Betreuung angewiesen ist. Sobald sich eine solche Entwicklung abzeichnet, sollten Sie eruieren, welche Hilfen Ihnen zur Verfügung stehen. Die Bandbreite reicht von ambulanten Diensten über teilstationäre Tages- oder Nachtpflege bis hin zur vollstationären Betreuung in einem Pflegeheim. Auch der – zeitlich begrenzte – Aufenthalt in einem spezialisierten Rehabilitationszentrum kann in Betracht kommen, allerdings sollte vorher geklärt sein, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt. 

Generell sollten Sie – solange es geht und ohne den Betroffenen zu überfordern – dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ folgen: Bestärken Sie den Kranken immer wieder darin, seine vorhandenen Fähigkeiten in die Bewältigung des Alltags einzubringen und nehmen Sie ihm nur so viel ab wie unbedingt nötig. 

Komplementärmedizin

Naturheilverfahren, Bewegungs- und Entspannungsübungen haben keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose. Einige können aber nachgewiesenermaßen bestimmte Symptome lindern und dadurch die Lebensqualität verbessern. 

Pflanzenheilkunde. Einige Betroffene berichten von einem günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf durch die regelmäßige Einnahme von Ginkgo-Extrakt (in Tropfen- oder Tablettenform). Demgegenüber kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Ginkgo weder die Schubrate senken noch den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Es gibt allerdings Hinweise, dass Ginkgo sich positiv auf kognitive Störungen auswirken könnte. Da hoch konzentrierte Pflanzenextrakte ebenso wie synthetisch hergestellte Medikamente Nebenwirkungen haben können, muss das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko sorgfältig abgewogen werden.

Vorsicht ist bei der Einnahme von Cannabis geboten, dem u. a. eine nervenschützende Funktion nachgesagt wird. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Pflanze bei MS einen unerwünschten entzündungsfördernden Effekt hat.

Fußreflexzonenmassagen. Fußreflexzonenmassagen haben sich bei der Linderung von Blasen-, Sensibilitäts- und motorischen Störungen bewährt. Ihre therapeutische Wirksamkeit bei diesen Begleiterscheinungen wurde inzwischen wissenschaftlich bestätigt.

Yoga. MS-Patienten, deren körperliche Leistungsfähigkeit es erlaubt, regelmäßig Yoga auszuüben, profitieren insbesondere von den Übungen, die darauf abzielen, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit zu verbessern sowie psychische Anspannung abzubauen. Außerdem hat sich Yoga bei der Linderung von Müdigkeit und Erschöpfung bewährt. Durch Atemübungen können Sie einer abnehmenden Atemkapazität entgegenwirken. Wichtig ist, dass Sie Ihre persönliche Leistungsgrenze akzeptieren.

Qigong, Tai Chi und Feldenkrais. Qigong, Tai Chi und Feldenkrais  dienen dem Abbau von Stress, der Steigerung des Körperbewusstseins und dem Erhalt der Beweglichkeit.

Akupunktur. Akupunktur kann im Anfangsstadium die Beschwerden lindern. Welche Akupunkturpunkte genadelt werden, richtet sich nach dem individuellen Krankheitsbild.

Homöopathie. Als Begleittherapie bietet die Homöopathie individuell abgestimmte Konstitutionsbehandlung mit Hochpotenzen. 

Als äußerst kritisch zu bewerten sind alle Ansätze, bei denen tierische Substanzen gespritzt werden, etwa „Frischzellen“ oder Thymusextrakte. Hier besteht, wie bei allen Fremdeiweißen, die Gefahr einer allergischen Reaktion und je nach Präparat auch die Gefahr, dass tierische Infektionen auf den Menschen übertragen werden. Auch „immunstimulierende“ Verfahren erscheinen mehr als fragwürdig – es ist nicht auszuschließen, dass auf diese Weise zerstörerische Autoimmunprozesse angeheizt werden.