Schulprobleme und Teilleistungsstörungen

Schulprobleme sind häufig und haben vielfältige Ursachen – von anlagebedingten Behinderungen, z. B. einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, über Verhaltensprobleme bis hin zu sozialen Problemen, wie z. B. Mobbing. Um helfen zu können, muss für jedes Kind eine Bestandsaufnahme gemacht werden, die zeigt, wo es im „System Lernen“ hakt. Werden diese „Haken“ nicht beseitigt, droht ein Teufelskreis: Der Spaß und die Leistungen in der Schule werden geringer. Durch die negativen Erfahrungen in der Schule entsteht ein mangelndes Selbstwertgefühl und als Folge treten Verhaltensprobleme auf, die den Spaß und die Leistung in der Schule noch weiter verringern.

Bei einer Teilleistungsschwäche besteht eine Funktionsschwäche in bestimmten Teilbereichen des Denkens, Fühlens oder Sprechens. Bei stärker ausgeprägten Formen wird von einer Teilleistungsstörung gesprochen. Solche Teilleistungsstörungen sind z. B. die Lese-Rechtschreib-Schwäche und die Rechenstörung (Dyskalkulie), eine begrenzte Störung im mathematischen Bereich.

Leitbeschwerden

Bei Schulproblemen:

  • Sich verschlechternde Schulleistungen
  • Schlechte Motivation, Schulangst
  • Durch die ständigen Misserfolge in der Schule können Verhaltensauffälligkeiten entstehen, die den Schulerfolg weiter gefährden
  • Psychosomatische Beschwerden, z. B. Bauch- oder Kopfweh

Bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS):

  • Auffällig große Diskrepanz zwischen den Lese- und Schreibfertigkeiten eines Kindes und seinen übrigen geistigen und schulischen Fähigkeiten
  • Im sprachlichen Bereich vor allem die Verwechslung ähnlich klingender Laute (z. B. d/t) oder ähnlich aussehender Buchstaben (d/b), das Auslassen und „Verdrehen“ von Buchstaben („nud“ statt „und“). Das Kind erkennt zudem nicht, wenn das Gelesene keinen Sinn ergibt.

Schon bei Kleinkindern gibt es eine Reihe von Warnsignalen, die auf eine spätere Lese-Rechtschreib-Schwäche hindeuten können:

  • Das Kind hat Schwierigkeiten beim Zuhören.
  • Es zeigt kaum Bereitschaft, Wörter nachzusprechen.
  • Das Kind kann Informationen nur aufnehmen, wenn es direkt angesprochen wird.
  • Das Kind hat ein schlechtes Gedächtnis für Wochentage, Farben und Namen.
  • Das Kind kann sich auch kürzeste Gedichte und Reime nicht merken.

Wann zum Arzt

In den nächsten zwei bis vier Wochen, wenn Ihr Kind schlechte Schulleistungen erbringt und weder Sie noch die Lehrkraft wissen, woran es liegen könnte.

Die Erkrankung

Ursachen von Schulproblemen. Wenn Kinder Probleme in der Schule haben, kann dies viele Gründe haben:

  • Ein Kind ist den Anforderungen der Schule oder einer bestimmten Schulform, von seiner geistigen Entwicklung oder Begabung her nicht gewachsen. So beeinträchtigt jede Intelligenzminderung die Abstraktionsfähigkeit, Auffassungsgabe, Konzentrations- und Merkfähigkeit, und dies manchmal so sehr, dass die Kinder in der Regelschule überfordert sind.
  • Bei anderen Kindern spielt eine zu hohe Leistungserwartung eine Rolle, wodurch viele Kinder heute die für sie falsche Schulform, insbesondere das Gymnasium, besuchen. Früher oder später zeigen sich Schulprobleme als Ausdruck der chronischen Überforderung und Überlastung.
  • Schulprobleme ergeben sich – unabhängig von der Intelligenz oder Reife des Kindes – auch durch psychische Störungen oder Verhaltensprobleme. So sind Kinder mit Angststörungen, Depressionen, AD[H]S, Aggressionsstörungen oder Störungen des Sozialverhaltens beim Lernen schwer eingeschränkt.
  • Auch Probleme in der Gruppe können sich in Schulproblemen einzelner Schüler äußern. Außenseiter finden in der Gruppe keine positive Verstärkung, und Rollenfestschreibungen innerhalb der Gruppe (z. B. Klassenkasper) erschweren manchen Kindern das Lernen. Schwerwiegende Gruppenprobleme entstehen durch Mobbing, aber auch durch Bevorzugung oder Benachteiligung von Seiten der Lehrer.
  • Chronische Krankheiten werden von Eltern gelegentlich vermutet, sind aber eher selten die Ursache von Schulproblemen. Die meisten Kinder, die mit der Schule Probleme haben, sind körperlich gesund. Eine Ausnahme sind Kinder mit Sinnesstörungen, etwa einer bisher unerkannten Seh- oder Hörbehinderung.
  • Lebenskrisen, z. B. Scheidung der Eltern, unglückliche Beziehungen in der Pubertät oder heftige Probleme mit einem oder beiden Elternteilen, können sich in Schulproblemen äußern.
  • Viel häufiger aber sind Kinder mit besonderen Teilleistungsschwächen. Diese Kinder verfügen über alles, was sie für den Erfolg in der Schule benötigen; sind also normal intelligent, erfahren die richtige Förderung durch das Elternhaus und sind – zumindest anfänglich – von ihrer Psyche und ihrem Verhalten her „gut gestimmt“; sie haben aber trotzdem schulische Probleme.

Lese- und Rechtschreibschwäche. Bei der Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS, Dyslexie, Legasthenie) besteht eine Störung des Lesens und Schreibens. Als Folge können die Noten in fast allen Schulfächern absinken, da Lesen und Schreiben praktisch überall gebraucht werden (beispielsweise in der Mathematik bei Textaufgaben). Die Häufigkeit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche wird auf ~5 % geschätzt, wobei Jungen dreimal häufiger betroffen sind als Mädchen. Die genauen Ursachen sind bis heute unklar, eine ganz entscheidende Rolle spielen sicherlich erbliche Anlagen: Hat ein Kind etwa einen Elternteil oder ein Geschwisterkind mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, so hat es eine Wahrscheinlichkeit von etwa 40–50 %, selbst davon betroffen zu sein.

In leichten Fällen oder bei hoher Intelligenz kann das Kind seine Störung z. B. durch Auswendiglernen oder rasches Kombinieren kaschieren, so dass die Störung erst im dritten oder gar vierten Grundschuljahr auffällt.

Der Verdacht kann durch einfache und spielerische Testverfahren, z. B. durch das Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten erhärtet werden. Diese werden auch in immer mehr Kindergärten durchgeführt. Leider sind diese Tests nicht 100 % zielgenau: Fast jedes fünfte Kindergartenkind zeigt auffällige Ergebnisse, aber nur ein Fünftel dieser Kinder entwickelt später tatsächlich eine Lese-Rechtschreib-Schwäche.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Bei jedem Kind, das trotz guter allgemeiner Bedingungen und ausreichendem Fleiß Schulprobleme hat, prüft der Kinderarzt zunächst das Vorliegen einer Seh- oder Hörstörung sowie einer Intelligenzminderung. Vermutet der Arzt bestimmte Verhaltensprobleme (wie etwa einAD[H]S), so schließen sich weitere Tests an. Wenn notwendig, wird das Kind auch an einen Spezialisten überwiesen.

Steht die Schuleignung in Zweifel, so sollte das Kind von Psychologen getestet werden, die nicht nur seine Intelligenz, sondern auch seine speziellen Begabungen und Einschränkungen beurteilen können.

Zum Ausschluss bzw. zur Feststellung der Teilleistungsstörung gibt es standardisierte Verfahren mit Testbögen, die ab dem Ende der ersten Klasse durchgeführt werden können. Beispielsweise das Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Eine zuverlässige Diagnose ist aber meist erst am Ende der zweiten Klasse möglich.

Therapie. Wird eine Teilleistungsstörung entdeckt, so helfen langfristig nur spezielle Übungsbehandlungen durch geschulte Pädagogen; die hierbei verwendeten Methoden sind allerdings noch immer umstritten. Die außerhäusliche Hilfe glättet im Idealfall auch die Wogen der durch die Schulprobleme oft schwer strapazierten Kinderseele und hilft der Familie, ihr Kind besser zu verstehen.

Kinder mit LRS haben Anspruch auf gezielte schulische Förderung. Diese sollte idealerweise zweimal wöchentlich in Kleingruppen bis maximal fünf Kindern (auf ähnlichem Leistungsniveau!) stattfinden. Wie gut das örtliche Angebot ist, hängt entscheidend von der Schule und vor allem dem Bundesland ab, da die rechtlichen Bedingungen unterschiedlich sind. Selbsthilfegruppen, Schulbehörde und Jugendamt geben entsprechende Auskünfte. Das Jugendamt ist auch deshalb eine gute Anlaufstelle, weil alle Fördermaßnahmen bei Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht über die Krankenkasse, sondern nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz abgewickelt werden.

Prognose

Durch früh einsetzende Förderung lassen sich Schulprobleme besser meistern, die Legasthenie wächst sich jedoch nicht ganz aus, sondern begleitet das Kind häufig auch noch in seinem Berufsleben.

Selbsthilfe

Vorschulkinder lassen sich mit gezielten Sprach-Spiel-Programmen wirksam in ihrer Sprachentwicklung fördern. Erstaunlicherweise haben sich dabei manche altmodischen „Fördermaßnahmen“ auch im Lichte moderner Forschung als zweckmäßig erwiesen: Singen, Klatschen und Reimen machen den Kindern z. B. die Gliederung der Sprache in Silben bewusst. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf die genaue Aussprache und schulen so die phonologische Bewusstheit (d. h. die Fähigkeit, den Klang der Wörter und die einzelnen Laute wahrzunehmen).

Als Eltern können Sie die Bedingungen für das Lernen verbessern, indem die Hausaufgaben:

  • Von Anfang an fest in den Tagesablauf integriert werden.
  • Zwar nach einer kleinen Erholungspause, aber bald nach der Heimkehr oder dem Mittagessen gemacht werden. Das bei vielen Erwachsenen vorhandene Tief zwischen 13 und 15 Uhr ist bei Kindern oft weit weniger ausgeprägt.
  • An einem ruhigen (möglichst stets gleichen) Ort ohne Ablenkung erledigt werden.
  • Selbstständig erledigt und auch als eigene Angelegenheit verstanden werden. Das schließt eine Kontrolle natürlich nicht aus.